Wie schädlich ist Nanoplastik?

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Kleinste Kunststoffteilchen gelangen aus Trinkwasser, Luft und Lebensmitteln in unseren Körper. Eine Gefahr für die Gesundheit?

Plastik in der Umwelt – ein riesiges Problem. Für den riskanten Stoff selbst gilt jedoch: Je kleiner, desto schlimmer. Denn mittlerweile finden sich winzige Plastikpartikel, fürs bloße Auge unsichtbar, überall um uns herum. Durch industrielle Abwässer, Kläranlagen und Kunststoffabfälle gelangen sie in die Wasserversorgung, durch den Abbau größerer Kunststoffgegenstände, etwa als Abrieb von Autoreifen, werden sie in die Luft freigesetzt. Die Kleinstteilchen lagern sich im Boden an, schwimmen in Gewässern, verschmutzen die Atmosphäre. Nicht nur das: Über die Nahrungskette und unsere Atemluft gelangen sie in unseren Körper. Modernste Technologien machen die winzigen Abfälle sichtbar. Unlängst entdeckten Forscher*innen mehr als 100.000 Moleküle Nanoplastik in einem Liter Trinkwasser.

Reise durch den Körper

Mikroplastik wurde bereits in Organen von Tieren und Menschen nachgewiesen, und nun entdeckten Wissenschaftler*innen auch die noch kleineren Nanopartikel in humanem Gewebe. Was die Substanzen mit uns machen? Das stellt aktuell noch ein großes Fragezeichen dar; über die genauen Auswirkungen auf unsere Gesundheit existieren bisher nur Vermutungen. Professorin Dr. Alia A. Matysik vom Institut für Medizinische Physik und Biophysik in Leipzig forscht zu diesem Thema. „Besonders besorgniserregend ist die Aufnahme über Lebensmittel“, sagt sie. „Nanoplastik wurde in Getränken, Meeresfrüchten und anderen Nahrungsmitteln nachgewiesen.“ Es stammt aus den Speiseverpackungen, insbesondere wenn diese erhitzt werden oder mit sauren und öligen Zutaten in Kontakt kommen.

Da die Kunststoffe so klein sind, wandern sie, bei der Verdauung über den Darm oder eingeatmet über die Lunge, in einzelne Zellen oder in unseren Blutkreislauf. Zudem geht uns Nanoplastik sprichwörtlich unter die Haut: Durch Pflegeprodukte, die die Stoffe enthalten, findet es ebenfalls den Weg in den Körper. Die Fragmente können sich in verschiedenen Organen und Geweben ansammeln: „Häufig sind sie im Magen-Darm-Trakt, in der Leber und den Nieren auffindbar“, bestätigt Professorin Matysik. Und: Nanoplastik kann giftige Chemikalien aus der Umwelt an sich binden und anreichern, auch in uns.

Kunststoff im Kopf

Selbst vor dem Gehirn machen die Substanzen nicht halt: In einer aktuellen Studie fand das Team um die Expertin Ansammlungen von Nanoplastik im Gehirn von Zebrafischen. „Das bedeutet, dass Nanoplastik die Blut-Hirn-Schranke überqueren kann.“ Kunststoff im Kopf, der nicht folgenlos bleibt: Tatsächlich lässt Nanoplastik im Gehirn neurologische Auswirkungen vermuten, etwa Beeinträchtigungen der Hirnfunktion, außerdem chronische Entzündungen, die mit einer Reihe von Gesundheitsproblemen verbunden sind. Zudem können die gefährlichen Winzlinge die Hüllen und Kommunikationswege unserer Zellen und sogar die Verarbeitung von genetischen Informationen beeinflussen. Dies verursacht möglicherweise Schäden an unserer DNA, also dem Erbgut: ein Risiko für die Entstehung von Krebserkrankungen. Und bringen die Plastikpartikel unseren Hormonhaushalt durcheinander, wie Expert*innen vermuten, wären damit Auswirkungen auf die Fortpflanzung, die körperliche und geistige Entwicklung und die Stoffwechselgesundheit verknüpft.

Nanoplastik wieder loswerden?

Kann unser Organismus die eingedrungenen Teilchen aus eigener Kraft entsorgen? Das hängt von der Art des Plastiks und den Bedingungen im Körper ab, erklärt die Fachfrau. „Insbesondere Polyethylen, Polypropylen und Polystyrol sind ziemlich abbauresistent. Sie können lange Zeit ohne jegliche Zersetzung in der Umwelt und im Körper bestehen bleiben.“ Forscher*innen fanden jedoch Hinweise darauf, dass bestimmte Mikroorganismen im Darm einige Kunststoffe abbauen können, wenn auch sehr langsam. Auch Stoffwechselprozesse und Ausscheidungsvorgänge tragen im Lauf der Zeit zur Eliminierung von Plastikfragmenten bei.

Bewusst vermeiden

Ein Leben ohne Nanoplastik ist kaum möglich, da es überall präsent ist. Laut Professorin Dr. Alia Matysik können der Verzicht auf Plastikverpackungen und die Nutzung wiederverwendbarer Behälter beim Einkauf dennoch einen großen Unterschied machen. „Wir sollten versuchen, weniger Einwegplastik zu verwenden. Bei der Auswahl von Kosmetika oder Kleidung können wir Produkte ohne Mikro- und Nanoplastik und aus natürlichen Materialien wählen.“ So lässt sich unser Kontakt mit dem winzigen Müll verringern und potenzielle Gesundheitsrisiken lassen sich mindern.

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern – leserservice.sud-verlag.de

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