Ich bin dann mal virtuell weg

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Reisen und Ausflüge gehören zu den Dingen, die wir am meisten vermissen, wenn ­physische oder psychische ­Beschwerden uns zunehmend immobil machen. Doch Urlaube in fremden oder bestens ­bekannten Gefilden sind auch bequem vom Sofa aus möglich – mit einer speziellen Brille.

Ach, nochmal ans Meer, das wär’ was. Oder die Kinder bei ihrem Wanderurlaub begleiten. Ein Städtetrip, ein bisschen Kultur tanken! Aber mit meinem Handicap wird das wohl nichts … Kennen Sie solche Gedanken auch? Verständlich, denn mitunter werden die Hürden fürs Reisen mit zunehmendem Alter immer größer. Und so bleiben wir lieber zu Hause. Dort aber fehlen die positiven Effekte einer solchen Auszeit. »Einmal im Jahr solltest du einen Ort besuchen, an dem du noch nie warst«, empfiehlt schließlich sogar der Dalai Lama. Die gute Nachricht: Mit moderner Technik gelangen wir praktisch an jeden Ort, ganz ohne Zug, Auto oder Flugzeug. VR-Brillen – VR steht für virtual reality, also virtuelle Realität – machen’s möglich.

Gut fürs Gehirn

Sie sehen ein bisschen nach Science- ­Fiction aus, und wer die Brillen aufsetzt, fühlt sich womöglich kurzzeitig wie im falschen Film. Denn was wir erblicken, fühlt sich täuschend echt an: 360-Grad-Aufnahmen ermöglichen, anders als her­kömmliche Videos, ein nahezu drei­di­men­sionales Raumgefühl. So, als stün­den wir direkt vor einem Bergsee und könnten gleich in das vor uns liegende Ruderboot einsteigen. Oder als befänden wir uns mitten auf der Golden Gate Bridge, relaxten im Liegestuhl am karibischen Strand, statt im Fernsehsessel im Wohnzimmer. Der in die Brille eingebaute Lautsprecher sorgt dabei für authentisches Wellenrauschen, während beim Spaziergang über die Champs-Élysées französisches Stimmengewirr erklingt.

Szenarien, die einerseits Erinnerungen wecken und andererseits neue Erlebnisse schaffen; so eindrucksvoll, dass nicht nur subjektiv unser Wohlbefinden, sondern auch objektiv das Gehirn davon profitiert: VR-Brillen werden bereits erfolgreich bei Demenzkranken und in der Traumatherapie eingesetzt. Auch unsere eigene mentale Gesundheit können wir durch das Eintauchen in fremde Welten verbessern; Meditationsanleitungen und begleitete Entspannungsübungen an schönen Plätzen verhelfen uns zu mehr innerer Ruhe und Zufriedenheit.

Internet unnötig, ­individualisierbare Inhalte

Wer auf den Geschmack gekommen ist und technisch versiert, kann eine VR-Brille käuflich erwerben (ab ca. 250 Euro) und sich die entsprechenden Programme aus dem Internet herunterladen. Es geht jedoch auch viel einfacher: Spezielle Anbieter offerieren Mietbrillen für Senioren; diese sind bereits fertig vorinstalliert und nach einer kurzen Einweisung für den Anwender startklar. Mit einer 360-Grad-Kamera lassen sich, etwa von Verwandten, individuelle persönliche Inhalte für die Brille erstellen, beispielsweise von einem Familienausflug, an dem wir leider nicht teilnehmen können.

Trauen wir uns allein nicht so richtig an die Technik ran, die übrigens grundsätz­lich auch ohne Internetanschluss und Computer funktioniert: In vielen Einrich­tungen, etwa der Tagespflege und -betreuung, Rehakliniken und ebenso in der stationären Altenpflege stehen die VR-Brillen Interessierten zur Verfügung und können mit fachlicher Begleitung des Personals genutzt werden.

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern – leserservice.sud-verlag.de

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